Stefan Becker

In seinen Bildern widmet der Künstler Stefan Becker sich vorzugsweise den Stadtmotiven, und auch hier ist noch mal eine Vorliebe für die Stadt New York zu erkennen. Die Städte auf seinen Radierungen sind architektonische Landschaften, sie bestehen aus Formen, Umrissen, Perspektiven, Relationen, Licht und Schatten, sind betongraue Felsgebilde, menschenleer, und trotzdem Behausung, Heimat und Lebensraum für den modernen Menschen.

Bilder von New York, Hamburg, Berlin…

Stefan Becker Bilder

DIE STADT ALS GRAFISCHE UND MALERISCHE KOMPOSITION. DIE STADT ALS ÄSTHETISCHES ERLEBNIS. DIE STADT ALS MYTHOS

Städte prägen uns. Nicht nur persönliche Eindrücke, Erfahrungen und Erinnerungen, sonder oft viel stärker historische Ereignisse, literarische Texte, Filme, Bilder und Erzählungen. Diese indirekten “Geschichten” lassen eine Stadt weit über ihre Gebäude, Plätze und Parks hinaus zum Mythos, zum Sehnsuchtsort werden. Um das zu erleben, ist es unerlässlich, die Städte zu besuchen, zu durchwandern, ihr jeweils besonderes Flair, die Luft, den Duft und vor allem ihre Menschen zu erleben.

Stefan Becker nähert sich dem Mythos Stadt seit über 40 Jahren, in Reiseskizzen, Aquarellen und größeren malerischen Kompositionen. Er ist neugierig auf den Eindruck, den Städte auf den Reisenden hinterlassen und übersetzt ihn in künstlerische Darstellung. Wasserfarben werden ergänzt durch Tuschen, Kreiden, verschiedene Graphitstifte. Technisch komplexe Radierungen entstehen überwiegend in der Druckwerkstatt des Kulturwerks Berlin und werden anschließend im Atelier weiter bearbeitet.

In den 80er Jahren führten Stefan Beckers Reisen vor allem nach Italien, nach Rom, Venedig und Florenz, in den 90er Jahren dann mehrmals nach New York, Paris und Barcelona, seit den 2000er Jahren sind Berlin und Hamburg bevorzugte Orte der künstlerischen Auseinandersetzung.

Die Lust am Reisen und Zeichnen sind für ihn bis heute ein ungebrochenes Vergnügen, manchmal sogar Notwendigkeit, verlangen aber in Zeiten der Klimaveränderung mehr Vorsicht und Verantwortung. So reist er vorzugsweise mit dem Zug. Wenn sich der ICE Hamburg nähert und langsam über die Norderelbe fährt, glitzert die wellenförmige Elbphilharmonie mit dem Wasser um die Wette. Bei Sonnenschein ist das ein herzliches Willkommen der Stadt. Gerade Hamburg, so sagt Stefan Becker, hat sich durch den Bau der Philharmonie sehr verändert; Das Konzerthaus ist zum Identifikationsort für die Stadt, ihre Einwohner und die Besucher geworden. Das neue Wahrzeichen brachte Weltstadtflair, ließ die Menschen weltoffener werden und Hamburg mondäner.

Die eigentliche künstlerische Herausforderung in den Städtebildern liegt für Stefan Becker vor allem darin, topografisch-gegenstandsbezogene und damit einmalig eine  Stadt kennzeichnende Silhouetten, Türme, Plätze oder Hochhausensembles mit freien grafischen Strukturen in spannungsvollen Kompositionen zu kontrastieren.

Von größter Bedeutung ist hierbei der bewusste Einsatz der Leere im Bild. Die Freiflächen werden zu Resonanzräumen der gegenständlichen Motive und geben dem “Mythos Stadt” die Möglichkeit, sich zu entfalten.

In den Druckgrafiken wählt er gerne die von Franceso de Goya bevorzugte Aquatintatechnik, die verschiedenste Grauwerte durch modifizierte Ätzzeiten der Säure und durch ein sensibles Verschleifen der Kupferoberfläche erlaubt. Erst nach den freien Strichlagen und den tuscheartigen Aquatintastufen beginnt Stefan Becker mit der “gegenständlichen Behauptung”. Nach langwierigen Phasen von Sticheln, Schleifen, Kratzen, Schaben und manchmal beinahe unzähligen Probe-Abzügen entstehen schließlich die grafisch höchst ausdifferenzierten Blätter. Damit im nachfolgenden Druck der Auflage auch feinste Tonwerte und hauchdünne Linien nicht verloren gehen, werden alle Kupferdruckstöcke verstahlt.

Die Bilder von Stefan Becker sind keine strengen Veduten, keine vordergründigen Abbilder der Städte, sondern betonen Ästhetik und Poesie. Es gelingt ihnen, Atmosphäre, Licht, Stimmung einzufangen und so dem Mythos Stadt neue Nahrung zu geben.

In den New York-Radierungen zum Beispiel dominiert die Frosch-Perspektive, sozusagen die Sicht vom dunklen Asphalt hinauf zu den Gebäuden. Auch die harten schwarz-weiß-Kontraste stehen für die Enge der Hochhausschluchten, die fast jeden, der New York zum ersten Mal besucht, beeindruckt. In vielen neueren Arbeiten dagegen beschreibt die Vogelperspektive den Stadtraum als komplexes grafisches Geflecht, wie etwa in den Zeichnungen und  Aquarellen zu Hamburg, Paris und Berlin.

Mira Hofmann