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Paul Thierry โ€“ Paul Thierry und die moderne Monotypie

Mit der Monotypie betritt er ein unbekanntes Feld, eine terra incognita, der er angesichts seiner intensiven Auseinandersetzung kรผnstlerisch Referenz erweist. Einhergehend mit der โ€žEntdeckungโ€œ fรคllt die Entscheidung zur Namensรคnderung, deren Grรผnde sowohl biografischer als auch kรผnstlerischer Natur sind. Paul ist sein zweiter Vorname, wรคhrend Thierry dem lateinischen Wort โ€žterraโ€œ (Erde) durchaus verwandt erscheint. Bereits als Kind liebte er es, Labyrinthe in tiefer Erde zu bauen und dort Sandskulpturen zu gestalten; da war er erst 10 Jahre alt und es zeugt von seiner ausgeprรคgten Neugier und Sehnsucht, die Dingen zu erkennen, zu begreifen und ihnen sprichwรถrtlich โ€žauf den Grund zu gehenโ€œ โ€“ eine Eigenschaft, die ihn als Schรถpfer auszeichnet und seine kรผnstlerischen Aktivitรคten bis heute prรคgt. Von nun ist es das Medium der Monotypie, das er in seinen technischen, formalen und kรผnstlerischen Raffinessen beleuchtet und durchforscht.

Die Kunst des Kรผnstlers Paul Thierry

Paul Thierry fรผgt ihm nun neue Aspekte hinzu bzw. entlockt dem Verfahren ungeahnte Potentiale. Dergestalt รผberfรผhrt er die Monotypie quasi modernisiert in das 21. Jahrhundert. So arbeitet er beispielsweise mit Lichteffekten oder staffelt teilweise bis zu vier Acrylplatten hintereinander; ebenso kombiniert er das Verfahren auf Acrylplatte mit der klassischen Leinwand, indem beide Bildtrรคger mit Motiven aus seinem gigantischen Archiv an Bild-Vorlagen versehen und anschlieรŸend in einigem Abstand zueinander montiert werden. Dabei jongliert der Kรผnstler sowohl mit farbigen Flรคchen als auch mit grafischen Strukturen, die in der รœberlagerung schlieรŸlich das vollstรคndige, komplexe Bild ergeben. Die Staffelung der Bildtrรคger รผberfรผhrt das ursprรผnglich zweidimensionale Bild in ein objekthaft anmutendes dreidimensionales Kunstwerk.

Das Verfahren bzw. vielmehr die durchleuchtende Wirkung weckt Vorstellungen an die Schichtaufnahme bzw. Schnittbilder, die ein Computertomograph oder ein Kernspintomograph von unterschiedlichen Kรถrperregionen, etwa von einem Organ oder von Gelenken erzeugt. Angesichts der Transparenz bringt der Kรผnstler seine Motive fรถrmlich zum โ€žstrahlenโ€œ und kontrastiert geschickt grafisches Lineament mit malerischer Farbflรคche. Somit darf Thierry als Erneuerer und Revolutionรคr der Monotypie gelten, hat sich doch kein Kรผnstler diesem Verfahren bisher so intensiv und so innovativ gewidmet wie er.

Im Zentrum seiner Kompositionen stehen figรผrlich-gegenstรคndliche Motive aus seiner unmittelbaren Umgebung, lรคsst er sich vom Zeitgeist, von aktuellen Anlรคssen in Politik, Gesellschaft und Alltags- bzw. Pop-Kultur inspirieren, sind stets auch Persรถnlichkeiten des รถffentlichen Lebens in seinem ล’uvre prรคsent. In der Arbeit โ€žSchwarzes Schafโ€œ (2013) platziert er ein pinkfarbenes Zebra in einer Schneelandschaft vor kahlen Baumstรคmmen. Was auf den ersten Blick kurios, ja durchaus humorvoll anmutet, weckt in Anlehnung an den Titel Assoziationen an die sprichwรถrtliche Redewendung vom โ€žschwarzen Schafโ€œ. War damit jedoch ursprรผnglich ein AuรŸenseiter gemeint, der sich aufgrund seiner wie auch immer gearteten Andersartigkeit von der Mehrheit unterscheidet, sind es im vorliegenden Bild die Farbe und der rรคumliche Kontext, die das Zebra zum vermeintlich โ€žschwarzenโ€œ und damit zum Sรผndenbock, zum Verantwortlichen von Missstรคnden macht.

Mit โ€žPolitische Kuhโ€œ (2013) greift der Kรผnstler auf ein รคhnliches Schema zurรผck: Dieses Mal positioniert er eine Kuh in rรถtlichem Ton vor dem deutschen Bundestag in Berlin, deutlich an der berรผhmten Kuppel oberhalb des Gebรคudes zu erkennen. Mit der Wahl der Farbe wie auch dem Motiv vor dem prominenten Bau vermag Thierry einmal mehr zu irritieren. Es ist diese Art der Verfremdung bzw. der Kreation eines neuen Kontextes, die er sowohl dem Gebรคude als auch dem Tier beimisst, die den Betrachter aufmerken lรคsst und aus der Reserve lockt. Der synthetische Charakter ist im Ergebnis der Freiheit in kรผnstlerischer wie formaler Hinsicht geschuldet. Die AuรŸerkraftsetzung von jeglichen Regeln und GesetzmรครŸigkeiten, wie Thierry sie ausspielt, sind den Kรผnstlern des 21. Jahrhunderts vorbehalten.

โ€žLove is my religionโ€œ (2015) mit dem Konterfei des 14. Dalai Lamas vor poppig buntem Hintergrund vermittelt dagegen einmal mehr eine weltbekannte Persรถnlichkeit, die er wie einen Pop-Star inszeniert. Indem er diese, im Verstรคndnis und im Gedรคchtnis abgespeicherten Persรถnlichkeiten unter Verwendung eines neuen kรผnstlerischen Mediums vorstellt, vermag er insbesondere Tragik und Magie der Persรถnlichkeiten zum Er-Leuchten zu bringen.

Mit โ€žPicasso no smokingโ€œ (2015) setzt er einem der auรŸergewรถhnlichsten Kรผnstler des 20. Jahrhunderts ein Denkmal. War es nicht gar Picasso, der seinerseits in der Mitte des letzten Jahrhunderts der Drucktechnik Lithografie zu neuer, ganz auรŸergewรถhnlicher Blรผte verhalf! Dass er Pablo Picasso, der fรผr sein Leben gern die Marke Gitanes rauchte, entgegen dem Titel-Spruch freudvoll rauchend zeigt, zeugt von Thierrys Humor.